Schöpfung

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Schöpfung

Schöpfung

Das fortwährende Staunen

Wie öde und ermüdend, dieser nicht aus der Welt zu schaffende scheinbare Widerspruch zwischen biblischen Schöpfungserzählungen und den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Entstehung allen Lebens. Befeuert wird er wieder und wieder von zwei Fraktionen: den Bibelfundamentalisten, denen sich nicht erschließt, dass die Bibel beim Wort zu nehmen auch heißen kann, sie nicht buchstäblich zu verstehen; und den Rationalisten, die bei der Versenkung in naturwissenschaftliche Details jedes Gespür für Poesie und ihre inneren Wahrheiten verloren haben.

Dabei beginnt die Bibel doch gleich im 1. Buch Mose mit zwei widersprüchlichen Schilderungen: dem Schöpfungslied, in dem der Mensch am sechsten Tag geschaffen wird, und der Paradieserzählung, in der Gott die Welt um Adam herum entstehen lässt. Will man den Autoren der Bibel nicht jeglichen Respekt versagen, wird schon auf diesen ersten Seiten der Schrift deutlich, dass es um eine Tatsachenbeschreibung also nicht gehen kann – gleichwohl aber um Glaubenswahrheiten.

Sieben Tage, sieben Strophen: Das wunderbare Schöpfungslied zu Beginn der Bibel, ursprünglich im Gottesdienst gesungen, gibt dabei den Ton an, der an vielen weiteren Stellen und so auch in den Psalmen das biblische Schöpfungsverständnis prägt: Gott als Ursprung allen Seins, das auch in all seinen Ausformungen Berechtigung hat, weil „Gott sah, dass es gut war“. Gottes Segen gilt nicht nur Mann und Frau, er gilt auch den Walfischen und allem Getier, „davon das Wasser wimmelt“, ebenso den Vögeln.

Diese Demut vor dem Wunderwerk der Schöpfung, die Freude daran und das fortwährende Staunen, sie ziehen sich auch durch die Poesie der meist noch älteren Psalmen – und so möchte man an dieser Stelle alles Erklären und Einordnen ruhen lassen, weil die Psalmen doch viel besser für sich selbst sprechen:

– in ihrem Zurechtrücken des menschlichen Selbstverständnisses („Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast; was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“, Psalm 8,4-5);

– in ihrer tiefen Dankbarkeit („Du tränkst seine Furchen und feuchtest seine Schollen; mit Regen machst du es weich und segnest sein Gewächs“, Psalm 65,11);

– in ihrem vorbehaltlosen Staunen („Herr, wie sind deine Werke so groß und so viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter“, Psalm 104,24);

– und in ihrem allumfassenden Gotteslob („Lobet den HERRN auf Erden, ihr großen Fische und alle Tiefen des Meeres, … ihr Tiere und alles Vieh, Gewürm und Vögel“, Psalm 148,7,10).

Die Schöpfungspsalmen reißen uns aus dem Trott gleichgültiger Missachtung heraus, mit der wir der Wunderwelt um uns herum täglich begegnen; sie schenken uns die Achtung vor diesem Lebens-Raum zurück, der ja durch jede naturwissenschaftliche Aufschlüsselung nur noch an Faszination gewinnt. Und sie können jenen heiligen Zorn wecken, der mitunter nötig ist, um sich jeglicher Schändung der Schöpfung zu widersetzen.

Die Psalmen sind uns überliefert als eine in Poesie gegossene Verbeugung vor Gottes Werk – einem Werk, von dem die Bibel erzählt, „dass es gut war“. Und von dem wir wissen, dass es an uns liegt, es zu bewahren: „Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk, alles hast du unter seine Füße getan“ (Psalm 8,7).

Text: Ekkehard Rüger

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