Innerlichkeit

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Innerlichkeit

Innerlichkeit

Der Coach des Psalmschreibers

Wenn Sie in einer Bibelkonkordanz das Wort „Innerlichkeit“ suchen, erhalten Sie in der Regel die Auskunft: „Sorry, leider kein Treffer!“ Auch wenn Sie eines der Bilder zu unserem Thema anklicken, kommen Sie nicht automatisch auf den Gedanken: „Aha, ein herrliches Bild zum Thema Innerlichkeit.“ Innerlichkeit kommt scheinbar nicht in den Psalmen vor. Ein typisch deutsches Wort, also eher anzusiedeln in der Sprache der Mystik oder Philosophie.

Fast alle Bezeichnungen für Inneres in der hebräischen Sprache sind Begriffe, die auf Körperliches verweisen – etwa „nefesch“, das ursprünglich „Kehle“ heißt und im Deutschen meist mit „Seele“ übersetzt wird. Natürlich weiß auch der Beter des Psalms 73 um sein Inneres, das er vor Gott „ausbreitet“. Dabei verbirgt er aber keineswegs seine körperlichen Erfahrungen. Innerlichkeit steht eigentlich dafür, dass jemand bei Gott angekommen ist, weil er bei sich angekommen ist. Mehr noch: Er „kramt“ nicht in seiner Seele, sondern öffnet sich mit Leib und Seele seinem unfassbaren Gegenüber, auf den hin er sich aus tiefster Seele „aus-spricht“. Damit kehrt er sein Innerstes nach außen, weil er genau weiß, dass dieser Gott ihm „innerer ist, als sein eigenes Innerstes seines Inneren“, wie es Augustinus einst beschrieben hat.

Insofern bleibt Gott die eigentliche Boje auf dem uferlosen Meer des Lebens. Er leitet, er gibt Orientierung, und er ist Lebensberater, ein Coach des Psalmschreibers. Deswegen betet er zu Gott: „Du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich endlich in Ehren an.“

Wenn ich mich meinem Inneren zuwende, wende ich mich mir selbst zu, indem ich mich Gott zuwende. Ich beschönige nichts, ich verschweige nichts. „Ich wasche meine Hände nicht in Unschuld“, heißt es in Psalm 73. Und auch: „Ich bin beständig bei dir; du hast ergriffen meine rechte Hand.“ Ich bleibe mein eigener Steuermann, wenn ich mich ganz Gott überlasse.

Genau das Gleiche drückt Psalm 87 aus: „Alle meine Quellen: entspringen in dir.“ (Psalm 87,7) Wie breit auch die einzelnen Flussarme eines Lebens sich ausdehnen mögen, nie können und wollen sie ihre Ursprünge leugnen. „… bei dir ist die Quelle des Lebens“, heißt es in Psalm 36,10. Das lässt mich meine Hände ausbreiten und formt meine Sprache zu einem Lied. Was mein Inneres bewegt, das macht mich nicht regungslos, sondern lässt mich singen – wenigstens manchmal! Denn es ist die Quelle, die die Mündung prägt. Gott macht Tanzen. Er ist und bleibt bewegende Begegnung und begegnende Bewegung.

Von wegen reine Innerlichkeit! Fast wie ein Kommentar zu Psalm 87, Vers 7, wirkt das Wort Jesu dazu: „Wer an mich glaubt, aus seinem INNEREN werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ (Joh 7,38).

Innerlich ist also nie rein äußerlich!

Text: Rainer Fischer

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