Glaube

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Ein Halleluja auf die Schöpfung

Mit einem „Amen“ bekräftigen jüdische und christliche Beterinnen und Beter ihr Gebet. Für Martin Luther drückt das „Amen“ Gewissheit und zugleich die Bitte: „Stärk unsern Glauben immerdar“ aus. Wer „Amen“ sagt, antwortet und setzt sich vertrauensvoll in Beziehung zu Gott, der lobt Gottes Treue. „Auf dein Wort, in dem Namen dein. So sprechen wir das Amen fein“, heißt es im Evangelischen Gesangbuch, Nr. 344,9. Wenn ich selbst bete, klingen in meinem „Amen“ Lob und Dank, Seufzen und Klagen, Bitte und Fürbitte zusammen. Ich lege meine Gedanken und Gefühle, ja mein Leben, in Gottes Hand.

Mit „Amen, Amen“ schließen der erste, zweite und dritte Teil des Psalters (Psalm 41,14; 72,19; 89,53). Am Ende des vierten Teils soll alles Volk sprechen: „Amen, Halleluja!“ (Psalm 106,48). Die im Psalter gesammelten Gebete und Lieder einzelner oder des Volkes in ihrer je eigenen Prägung und Gestalt werden damit von der ganzen Gemeinde aufgenommen und im Chor bekräftigt und Gott ans Herz gelegt. Der fünfte Teil mündet mit Psalm 150 in das große Halleluja der ganzen Schöpfung. Das immer neu bekräftigte Bekenntnis des Glaubens und Vertrauens führt in das Lob Gottes mit allen Stimmen und Instrumenten.

Das „Amen“ hat im Hebräischen die gleiche Wurzel wie das Verb, das im Deutschen mit „glauben, vertrauen“ übersetzt wird: אמן / ̉mn. Es bedeutet auch: „fest, sicher, zuverlässig sein“. Auch mit den Wörtern „bth“ (Deutsch: „sich sicher fühlen, trauen, vertrauen“) und „hsh“ (Deutsch: „sich bergen, Zuflucht suchen“) drücken Psalmbeterinnen und -beter ihre Zuversicht auf Gottes Trost, Hilfe und Stärke aus. Und auch wo nicht ausdrücklich von „glauben“ gesprochen wird, bekennen Psalmen in vielfältigen Bildworten JHWH als verlässlichen Bundespartner, als Fels und Burg, Schirm und Schutz.

„Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde, die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen“, heißt es in Psalm 27, Vers 13. Mit der Zuversicht, dass JHWH Licht, Heil und Lebenskraft ist, beginnt dieser Psalm. Die Beterin oder der Beter sucht angesichts von Widersachern und Feinden die Gemeinschaft mit Gott im Gottesdienst im Tempel und im Gebet. Mit ihr oder ihm suche ich als Christ heute selbst Gottes Antlitz, bitte und klage und mache mich fest im Vertrauen auf Gottes Hilfe und Heil. Die jüdischen Geschwister leihen mir ihre Sprache, zu „glauben“ und auf die Erfahrung neuer Zuwendung Gottes zu „harren“.

Exemplarisch kommt in Psalm 27 zum Ausdruck, was „glauben“ bedeutet: Menschen halten sich in ihrem Leben, mit ihrer ganzen Existenz zu Gott. Sie antworten mit ihrem Glauben und Vertrauen auf reiche Erfahrungen von JHWHs befreiendem, helfendem, bewahrenden Handeln. Israel hat in seiner Geschichte Gottes Treue erfahren. Auch die Stimmen vieler einzelner, die Gott in ihrem Leben begleitet hat, hören wir in diesem und anderen Psalmen. So gesehen stiftet Gott die Gemeinschaft, in der Menschen glauben.

In vielen Psalmen kommt zum Ausdruck: Gott „erwählt“, „kennt mich“, „zieht mich aus dem Netz“, „lässt mich grünen“, auf Gottes Güte „verlasse ich mich“. Glaube geschieht in Beziehung und ist ein aktives Handeln – immer neu und aktuell. In den Bildern des 23. Psalms von JHWH als Hirte und Gastgeber finden Menschen seit Jahrtausenden ihr Leben und ihr Vertrauen auf Gott treffend ausgedrückt.

Für die Psalmbeter/innen bringt jede Nacht und jeder neue Tag die Herausforderung, sich auf Gott auszurichten, nach Gottes Geboten zu leben und in Angst und Bedrängnis an Gott festzuhalten. Gerade, wenn Gott fern und verborgen erscheint, wenn Gottes Hilfe auf sich warten lässt. „Dennoch bleibe ich stets an dir“, heißt es in Psalm 73, Vers 23. In Anfechtung und Zweifel bewährt sich der Glaube an JHWH, den Schöpfer und Herrn der Geschichte. Hier wird deutlich, was in den Augen der Psalmbeterinnen und -beter das Gegenteil von „Glaube“ ist: Haltlosigkeit und Angst.

Wer sich anderen Göttern zuwendet, wird als „Tor“ (Psalm 14,1) bezeichnet. Erst in späten, von der Weisheit geprägten Psalmen erscheint der „Gerechte“, der sich an die Thora und Gottes Wort hält, als Gegenpol zum „Gottlosen“, der die Gebote miss- und verachtet. Unter dem Einfluss des Hellenismus erscheint „Glaube“ zunehmend als Gesinnung und Tugend, die eingeübt werden kann.

Mein persönlicher „Glaubenspsalm“ ist Psalm 146. Mit seinen Worten fordere ich meine Seele auf, JHWH zu loben und mein Vertrauen auf Israels Gott zu setzen, den Schöpfer und Erhalter der Welt. Meine Zuversicht richte ich auf die rettende und helfende Zuwendung Gottes und meinen Blick auf die Armen, Kranken, Notleidenden, denen Gott besonders nahe ist. Und ich stimme mit ein in das große Halleluja. Besonders liebe ich die drei Lieder im Evangelischen Gesangbuch, die diesem Psalm Melodien gegeben haben: „Du meine Seele, singe“, 302; „Lobe den Herren, o meine Seele“, 303; „Halleluja, Gott zu loben“, 635. So klingt es in meinem Herzen: „Sieh, dein Herr und Gott ist da: Halleluja, er ist nah!“ (EG 635,8).

Text: Christoph Melchior

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