Erlösung

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Erlösung

Erlösung

Für kein Lösegeld dieser Welt

„Gott, der Herr, hat sie von ihrem Leiden erlöst“, steht als Überschrift über einer Todesanzeige. Eine alte Dame ist gestorben, lange schon war sie krank, nun ruht sie in Frieden. Ihre Angehörigen trauern, aber sie fühlen sich auch getröstet: Ihre Mutter, ihre Tante, ihre Großmutter hat nun keine Schmerzen mehr, sie wird nicht mehr von ihrer Demenz gequält. Manche Anzeigen nennen statt Gott den Tod als denjenigen, der von Leid erlöst.

In einer anderen Situation fällt beim Fußball kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit der alles entscheidende, erlösende Treffer. Die Siegermannschaft ist mitsamt ihren Fans außer sich vor Glück, die Verlierer ärgern sich wahlweise über ihr Pech oder darüber, dass sie im entscheidenden Moment unaufmerksam waren.

Der Tod oder ein Tor bringen im alltäglichen Sprachgebrauch die Erlösung. Wenn das Volk Israel Gott in Psalm 44, Vers 27, anfleht, es zu erlösen, setzt der Begriff „Erlösung“ einen anderen Akzent: Das hebräische Verb „padah“ bedeutet wörtlich „jemanden freikaufen, loskaufen, auslösen“. Es gibt verschiedene Umstände im antiken Israel, in denen Menschen Familienmitglieder freikaufen können oder sogar dazu verpflichtet sind. Wenn eine Familie überschuldet ist und ihr Land verloren hat, werden Kinder, die Frau und schließlich der Mann zu Schuldsklaven. Sie können befreit werden, wenn jemand ihre Schulden bezahlt. Wenn jemand zum Tode verurteilt wird, kann er je nach Art des Falls von Verwandten freigekauft werden. Jede Erstgeburt gilt als Eigentum Gottes, das heißt, jedes erste Lamm, jedes erste Kalb muss Gott als Opfer dargebracht, jeder erste Sohn durch eine finanzielle Ersatzleistung ausgelöst werden.

„Erlösung, Auslösung“ ist ursprünglich ein rechtlicher, ein sozialer Begriff. Davon abgeleitet hoffen die Menschen in Israel zunehmend auf Gott als denjenigen, der sie „erlöst“, also freikauft. Wenn der Psalmdichter in Psalm 130, Vers 8, die Hoffnung ausdrückt, dass Gott Israel von seinen Sünden erlöst (so die Luther-Übersetzung), steht dahinter die Vorstellung, dass Gott sein Volk aus der Schuldknechtschaft freikauft. Psalm 49, Vers 8, 9 und 16, betont, dass das Leben eines jeden Menschen so wertvoll ist, dass kein Kaufpreis, den ein Mensch aufbringen kann, als Lösegeld ausreichen würde. Der Psalmbeter ist sich aber sicher, dass Gott sein Leben aus der Gewalt der Totenwelt freikaufen kann und wird. Psalm 78, Vers 42, erinnert daran, dass Gott Israel aus der Sklaverei in Ägypten losgekauft hat. Hier schwingt die Bedeutung „befreien“ mit.

Psalm 44 spricht Gott direkt an: Er zählt Gottes Taten in der Geschichte Israels auf und betont, dass Israel nicht durch eigene Kraft, sondern nur mit Hilfe Gottes feindliche Völker besiegt und andere Länder erobert hat. Der Mittelteil des Psalms stellt fest, dass Israel militärisch nicht mehr erfolgreich ist und dass dies nur daran liegen könne, dass Gott Israel fallen gelassen habe. Israel fühlt sich von Gott „verkauft“ (Vers 13). Der Psalmbeter macht geltend, dass Israel sich aber niemals von Gott abgewandt habe. Er stellt sich vor, dass Gott schläft und beschwört ihn, aufzuwachen, aufzustehen und seinem Volk zu Hilfe zu kommen. Gott soll Israel erlösen, loskaufen, befreien aus einer lebensbedrohlichen Lage. Der Psalmbeter beruft sich darauf, dass Gott freundlich und gütig ist. Damit endet der Psalm.

Gott bezahlt das Lösegeld, weil er den Menschen wohlgesonnen ist. Er erlöst die, die vom Tod bedroht oder in Schuld(en) verstrickt sind und holt sie damit ins Leben zurück. Von dieser Gewissheit spricht Psalm 31, Vers 6: „Deiner Hand vertraue ich meine Lebenskraft an. Du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott.“ Jesus zitiert den ersten Teil dieses Verses unmittelbar vor seinem Tod (Lk 23,46), den zweiten Teil muss man unausgesprochen mitdenken. So, wie Jesus auferstanden ist, hat auch die alte Dame auf die Auferstehung hoffen können. Während das „erlösende Tor“ demnach eher metaphorisch zu verstehen ist, kann die Aussage in der Todesanzeige ergänzt werden: Gott hat die alte Dame zu sich geholt und sie damit von der Macht des Todes und von ihrem Leid erlöst.

Text: Katrin Keita

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