Frieden

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Eine Straße ohne Kanonen

Uns gegenüber führt von der Hauptstraße ein kleiner Weg ab. Geht man etwas näher hin und schaut auf das Straßenschild, kann man auch den Namen gut lesen: „Im Frieden“ lautet der Straßenname. Eine Freundin von uns wohnt dort. Sie ist, wie soll ich sagen, ein durch und durch friedfertiger Mensch. Sie hat mir sogar einmal in einem problematischen Konflikt ein Holzkreuz vorbei gebracht; so eines, das aus Schmeichelholz besteht. Natürlich gibt es „Im Frieden“ neben dem Straßennamen noch andere Schilder: Da der Weg wirklich schmal ist, gibt es ein Halteverbot. Und da die Kinder auf ihrem Weg zur Schule diese Abkürzung nehmen, hat man auch ein Dreieck mit der Aufschrift „Achtung Kinder“ aufgestellt. Ach ja, einmal wurde an einem Haus, das hart am Bürgersteig steht, die Fassade erneuert. Da kam man dann „Im Frieden“ nicht durch und musste sich deshalb an die gelben Umleitungsschilder halten.

Die Menschen, die dort „Im Frieden“ leben, scheinen mir immer ein bisschen entspannter als wir anderen zu sein. Es ist, als ob der Straßenname auf ihr Leben abgefärbt hat. Ich habe dort noch nie jemanden schreien gehört. Ich habe nie miterlebt, dass ein Bewohner der Straße das Halteverbot überschritten oder die Kinder auf ihrem Weg übersehen hätte. Sie wissen ja, dass diese Gebote zum Wohle aller aufgestellt sind, nämlich dass es friedlich „Im Frieden“ bleibt.

Aus haargenau dem gleichen Grund haben Juden die Torah, ihre Gesetze also, als Hinweise und Schilder zum guten Überleben verstanden. Sie sahen in den Geboten, den Rechtssatzungen und göttlichen Hinweisen und Fingerzeige einen Weg zum erfüllten Frieden. Deshalb heißt es auch in dem längsten Psalm, der in der Bibel abgedruckt ist: „Großen Frieden haben, die dein Gesetz lieben; sie werden nicht straucheln.“ (Psalm 119,165). Da ist sie wieder, diese Erfahrung, die sagt: Wenn du dich an Gottes Lebensregeln hältst, diese nicht mit zusammengebissenen Zähnen, sondern mit großer innerer Beteiligung tust, ja sogar liebst, dann werden deine Jahre von einem großen Frieden umgeben und getragen sein. Wenn du jemanden nicht „zuparkst“, sondern Respekt vor seiner ganz einmaligen Person hast; wenn du als Kind deine Eltern magst und du als Elternteil für die Kinder sorgst; wenn du in deiner Meinung nicht festgelegt bist, sondern Umwege in Kauf nimmst, damit auch andere eine sichere Wohnung vorfinden – dann, ja dann wirst du nicht durchs Leben stolpern, sondern von einem tiefen inneren Frieden bestimmt sein.

„Peace-ful“ sagen die Engländer dazu, „Te-vreden“ die Niederländer und du in deiner Heimat spürst einfach, dass Du „Zu-Frieden“ bist. Und dieser Frieden kommt nun, weil das Gesetz Gottes genau das im Auge hat: nämlich unser Leben „Im Frieden“ zu führen. Das geht aber nur, wenn man durch diese kleine Straße geht und friedliche Gedanken für ihre Anwohner entwickelt. Es gab eben leider auch große Heerstraßen, da stand auf Lateinisch ein Satz von Flavius Vegetius Renatus „ Si vis pacem para bellum“ (Dt.: „Wenn du den Frieden willst, rüste dich für den Krieg“). Das ist so etwa das genaue Gegenteil unseres Psalmweges. Da sollen dann auf dem Bürgersteig überall Kanonen stehen und die Kinder in die Häuser gescheucht und die Umleitungen nicht beachtet werden. Sicher ist sicher. Ich glaube, das würde die Menschen, die ich „Im Frieden“ kenne, erschrecken und natürlich auch verändern. Durch Unfrieden wächst nämlich nie etwas Gutes, wohl aber durch die Liebe zu Gottes Lebensregeln und damit zu allen anderen Menschen auch.

Text: Max Koranyi

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